Einladung zum Protestspaziergang mit gemeinsamer Briefübergabe an die Wissenschaftssenatorin zur Finanzierung der Baumaßnahmen des Pferdestalls.
„Ich kenne die Weise, ich kenne den Text,
Ich kenn‘ auch die Herren Verfasser;
Ich weiß, sie tranken heimlich Wein
Und predigten öffentlich Wasser
Ein neues Lied, ein besseres Lied,
O Freude, will ich euch dichten!
Wir wollen hier auf Erden schon
Das Himmelreich errichten.“
Heinrich Heine, „Deutschland. Ein Wintermärchen“, Caput I, 1844
Der Pferdestall (Allende-Platz 1) – seit 1929 Gebäude der Universität Hamburg – ist wegen Schadstoffbelastung seit einigen Jahren nur noch stark eingeschränkt nutzbar. Die Fachbereichsmitglieder warten auf die Grundsanierung des bald 100-jährigen Gebäude des sozialwissenschaftlichen Studiums.
Beim Warten fällt derweil so Einiges auf: Es ist nicht das erste öffentliche Gebäude in den letzten Jahren, dessen Sanierung auf sich warten lässt, es wäre aktuell auch nicht das einzige Bauprojekt der Universität Hamburg, dessen sparsame (bzw. momentan nicht vorhandene) Finanzierung Ausblick auf die Dauer und Qualität der Sanierung gibt. Das regt zum Nachforschen an.
Die Erweiterung der ersten demokratisch gegründeten Universität der Weimarer Republik um den Pferdestall (das damals zweite Gebäude der Universität) bot unter anderem Raum für viele jüdische Wissenschaftler:innen, die in der liberalen, durch die Arbeiterbewegung geprägten Stadt forschten. Mit der Selbstgleichschaltung der Universität unter die deutschen Faschisten wurden diese aus der Universität vertrieben. Infolge der Befreiung 1945 zog unter anderem mit Siegfried Landshut progressive, auf die demokratische Emanzipation der Studierenden gerichtete Wissenschaft in den 60er Jahren in den Pferdestall ein. Die Universität wurde um den Philosophenturm und das Audimax erweitert, in denen die Studierenden der 68er-Bewegung weitreichende soziale, demokratische und wissenschaftspolitische Fortschritte erkämpfte, welche unter anderem eine weitere Erweiterung der Universitätsgebäude (WiWi-Bunker, Geomatikum, MLKP) in den 1970ern zur Folge hatte. Progressives Engagement aller Mitglieder zur Verwirklichung gesellschaftlichen Fortschritts schafft die materiellen Grundlagen für die Erweiterung desselbigen.
Der heutige enorme Bedarf nach wissenschaftlicher Qualifizierung und Tätigkeit und die damit verbundene materielle Erweiterung der Universitäten steht im enormen Widerspruch zur Kürzungspolitik der letzten Jahrzehnte, die mit der Schuldenbremse durchgesetzt wird. Die Dekadenz dieser Politik materialisiert sich im Zustand der öffentlichen Gebäude. Die Überführung der universitären Gebäude an eine städtische Gebäudemanagement-Firma (GMH, Sprinkenhof), wie sie auch dem Pferdestall bevorsteht, ist nicht die Lösung, sondern die Verdopplung des Problems. Die Gebäude werden der demokratischen Verfügung durch die Universitätsmitglieder entrissen. Die Mitglieder der Universität sollen folglich schon für jede Glühbirne als Bittsteller an die intransparenten Vermieter herantreten, damit mit der Miete der Schuldengebremsten Haupthaushalt der Stadt umgangen werden kann.
Die Rückgabe demokratischer Verfügung an Organisationen, in welchen dafür gearbeitet wird, dass die Schuldenbremse nicht gekippt wird und die Erzählung „der Staat muss Sparen“ alle demokratischen Rufe nach der Ausfinanzierung der zivilgesellschaftlichen Bereiche verhallen lässt, führt genau dazu: Zur Unterfinanzierung der sozialen Bereiche, der Gesundheit, der Bildung und ziviler Wissenschaft. Keine Überraschung ist also die Dysfunktionalität der GMH und Sprinkenhof, wenn es um die Verwaltung der Universitätsgebäude geht.
Wozu aber dieser Riesenaufwand für die Schuldenbremse? Weil der hohe Bedarf an Qualität und Quantität der materiellen Grundlagen aller Bereiche der Zivilgesellschaft, die damit verbundenen besseren Lebensumstände, bessere Arbeit und letztendlich das höhere wissenschaftliche Niveau finanziert werden kann und genug Geld dafür da ist, nur dass das bedeuten würde, dass Milliardengewinne, die kosmischen Eigentumswerte der Reichen eben zugunsten aller auf Grundlage der demokratischen Involvierung aller genutzt werde würde und nicht länger bei einigen wenigen verbliebe. Diese Möglichkeit soll mit allerlei vorgegaukelten Mangelbedingungen (z.B. marode Gebäude) ausgeblendet werden.
Von solchen rückwärtsgewandten Täuschungen sollte sich niemand leiten lassen. Stattdessen können alle, und erst recht wir aus dem Fachbereich Sozialwissenschaften dazu beitragen, das Prinzip der Ungleichheit zu überwinden, indem wir das Gebäude der Sozialwissenschaften wieder für alle nutzbar machen, die Geschichte progressiver Linien der darin stattfindenden Wissenschaft und Studierendenbewegung erweitern und dementsprechend Wissenschaft und Studium auf die Verwirklichung sozialer Gleichheit, demokratischer Emanzipation und Frieden ausrichten.
Einladung zum Protestspaziergang mit Übergabe eines Briefes für die Ausfinanzierung des Pferdestalls an die Wissenschaftssenatorin Katharina Fegebank
Gemeinsamer Spaziergang zur Behörde (BWFBG) startet am Mittwoch, den 31. Januar um 12:15 vor dem Pferdestall (Allende-Platz 1). Mit dem ÖPNV werden wir dann in Richtung Hamburger Straße fahren und die letzten Meter zu Fuß zur Übergabe gehen.
Alle Studierenden und Mitarbeiter:innen sind aufgerufen, sich zu beteiligen!
Der Brief und der Aufruf zur Übergabe wurde auf der Sitzung des Fachbereichsrates Sozialwissenschaften am 24. Januar 2024 beschlossen.