Programm zu den Wahlen zum Fakultätsrat Wirtschafts- und Sozialwissenschaften und zum Fachbereichsrat Sozialwissenschaften.
Liste 2: Kritische Fachschaftsaktive Sozialwissenschaften
„Die Rohheit kommt nicht von der Rohheit, sondern von den Geschäften,
die ohne sie nicht mehr gemacht werden können.“
Bertolt Brecht, Paris 1935.
Die Konkurrenz als ideologische Richtschnur unserer Gesellschaft ist die Basis, auf der einige wenige Menschen aus der Arbeit der Bevölkerung Profit schlagen können. Mit der Steigerung der Konkurrenz bis hin zum Krieg lassen sie ihre Gewinne explodieren. Zur Alternative sind zugleich alle Menschen in der Lage: Zur bewussten solidarischen Gestaltung einer humanen Zivilisationsentwicklung.
Das ist die Aufgabe der Sozialwissenschaften und aller Mitglieder unseres Fachbereichs. Wir können die Dekadenz unserer aktuellen gesellschaftlichen Epoche und die Möglichkeit ihre Überwindung hin zu humaneren Verhältnissen verstehen und verwirklichen. Die Fachperspektiven haben hierfür spezifische Bedeutung.
Nach dem Maßstab der Gleichheit der Menschen muss sich die Soziologie angesichts der steigenden sozialen Ungleichheit fragen: Wie kommen die 99% der Bevölkerung, die unter der sozialen Ungleichheit leiden und gleichzeitig den gesamten gesellschaftlichen Reichtum schaffen, dazu, die soziale Gleichheit zu erkämpfen? Ein Beitrag der Soziologie ist es, jegliche soziale Vorrangideologie bloßzustellen. Wenn Sündenbockideologien, Nationalismus, Eigenverantwortung, Aufstiegsorientierung, Wohlstandschauvinismus usw. kritisch infrage gestellt werden und anstelle dessen Kooperation und gemeinsame, humane Gestaltungsambition tritt, dann schwindet auch der Respekt vor jenen Instanzen (Familie, Staatsraison, Kirche und high society), die die Ungleichheit absichern sollen.
Der Impetus der Hamburger Kriminologie ist: Der Mensch ist ein gesellschaftliches Wesen, welches durch das gemeinsame, intellektuelle Erkennen seiner Lage und Umwelt mit dem Ziel, sie menschenwürdig zu gestalten, erst seine Handlungsfähigkeit entfaltet. Diese Orientierung bedarf der Verallgemeinerung, denn zurzeit wird der Mensch primitiver als so manches Säugetier dargestellt, um eine zunehmend restriktive Politik mit staatlichen Repressionen und polizeilich durchgeführter Demütigung nach innen und Aufrüstung und atomarer Abschreckung nach außen durchzusetzen. Die Individualisierung und Naturalisierung von Gewalttätigkeit durch ein im Kern sozialdarwinistisches Menschenbild (die Grundlage rechter Ideologie) verschleiert, dass die Gewalt aus der Konkurrenz kommt und staatlich organisiert ist. Dagegen gelingt eine Resozialisierung von Menschen und der Menschheit nur, wenn das Ziel der menschenwürdigen Gestaltung der Gesellschaft zur ersten Priorität und gemeinsamen Angelegenheit gemacht wird.
Das verschafft den Politikwissenschaftler:innen den Auftrag, die Bevölkerung (inklusive sich selbst) als Subjekt ernster zu nehmen. Die Grundlage der politischen Wissenschaft sollte bilden, dass in der Geschichte alle Fortschritte in der humanen Gestaltung der Gesellschaften damit einhergingen, menschenunwürdigen Befehlen keinen Gehorsam mehr zu leisten und damit selbst bestimmender Faktor der Geschichte zu werden. Die Schlussfolgerungen für die Politikwissenschaft heute sollten also sein: Die verantwortlichen Akteure, ihre Wege und Strukturen zur Herstellung der Ungleichheit aufdecken, die bisherigen Errungenschaften zivilisierender Initiativen von Bewegungen, Gewerkschaften, Parteien und weiteren Akteuren bilanzieren und selbst zivilisierende Wege für eine neue globale Friedensordnung zur Verwirklichung von UN-Menschenrechten und Völkerrecht aufweisen.

Die verantwortungsvolle Gestaltung der Aufklärungsarbeit, allen Menschen die Möglichkeit zu verschaffen, sich durch die Einsicht in die eigene Lage und ihre Veränderbarkeit eine eigene Auffassung zu bilden, ist Aufgabe des Journalismus im Sinne der Demokratisierung und Zivilisierung. Die Medien sind relevanter Bestandteil der kollektiven Bewusstseinsbildung. Durch ihre Marketingorientierung zur Herstellung einer passiven Konsumpraxis legen Sie eine notwendige Voraussetzung, um mit Militärbegeisterung die Gesellschaft kriegstüchtig zu machen. Die Aufgabe der Journalistik- und Kommunikationswissenschaften besteht in der scharfen Medienkritik und der Stärkung des Friedensjournalismus als journalistische Praxis mit dem Ziel, zu Frieden zu kommen, Wahrhaftigkeit anzustreben, empathisch zu berichten, also den Menschen in den Mittelpunkt zu stellen und lösungsorientiert, also für Verständigungsbereitschaft und Konfliktlösung zu berichten.
Aus unserer Geschichte können wir beispielgebend lernen: Durch die 1968er Studierendenbewegung wurden nicht nur bessere Studienbedingung, ein BAföG für knapp die Hälfte der Studierenden als Vollzuschuss und eine sozialkritische Wissenschaft und Lehre erkämpft, sondern auch eine Friedensorientierung der Wissenschaften durchgesetzt, infolge derer die deutschen Friedenforschungsinstitute gegründet wurden, unter anderem das IFSH in Hamburg. Auch die Arbeitsgemeinschaft Kriegsursachenforschung (AKUF) in der Politikwissenschaft ist mit dem Ziel, dazu beizutragen, „die Menschheit von der Geißel des Kriegs zu befreien“, Teil dieser Friedensorientierung. Was `68 von unseren Kommiliton:innen errungen worden ist und seit den 90er Jahren schrittweise revidiert wurde stellt sich heute als notwendiger denn je zuvor heraus. Zeit für eine Friedensorientierte Sozialwissenschaft und eine zivile Zeitenwende zu kämpfen!
Mit dieser Programmatik wirken wir in der Fakultät und in den Gremien u.A. für:
- Für den Ausbau der Friedenswissenschaft, insb. des AKUF und einer Reorientierung des IFSH auf zivile Konfliktlösung und Abrüstungsinitiativen. Zur Verständigung und für einen Friedensprozess müssen global zivile Wissenschaftskooperationen aufgenommen und vertieft werden, insbesondere mit russischen Universitäten und den palästinensischen Wissenschaftlern. Wir wirken für einen Dies Academicus zum Tag der Menschenrechte und wollen in Veranstaltungen u.A. zum Friedensjournalismus in Kriegszeiten diskutieren.
- Mit der Studie zur sozialen Lage der Studierenden haben wir zum Anstoß der Sozialkampagne an der Uni beigetragen, nun beteiligen wir uns an der Kampagne für ein BAföG für alle, um allen Bildung unter würdigen Bedingungen zu ermöglichen.
- Wir wirken mit antifaschistischen Lesungen und einer Projektwoche zum 8. Mai als Tag der Befreiung dafür, dass die Konsequenzen aus dem deutschen Faschismus, die in Grundgesetz, UN-Charta und den Menschenrechten gefasst sind, heute verwirklicht werden.
- Der Studiengang Internationale Kriminologie muss wieder eingeführt und ausfinanziert werden.
- In der Studienreform setzen wir uns für einen Abbau von Prüfungen und Leistungsdruck, für unbegrenzte Prüfungsversuche und Projektseminare statt vieler Hausarbeiten für die Schublade ein. Wir führen die Diskussion für eine sinnvolle und gemeinsame Planung der zukünftigen Lehre am Fachbereich.
- Zu Beginn des Studiums braucht es eine kritische Orientierungseinheit, in der wir unsere Rolle als Studierende in dieser Zeit bestimmen.
- Wir brauchen den Pferdestall zurück! Es braucht eine Ausfinanzierung der Universität und der sorgfältigen Instandsetzung ihrer Gebäude. Dafür und für eine sinnvolle Gestaltung unseres Gebäudes wirken wir in den Gremien.
Wir kandidieren als Liste 2, Kritische Fachschaftsaktive, zu den Wahlen mit:
Mena Winkler (Soz., SDS*, Zivilklausel); Lars André Kaufmann (Powi, junge sozialist:innen und Fachschaftsaktive, BAföG-für-Alle Kampagne); Eva Gaßen (Soziologie, IFSH-Kuratorium); Henri Weber (Soziologie); Alexander Laufs (Soziologie, junge sozialist:innen und Fachschaftsaktive, BAföG-für-Alle Kamp.); Elena Al-Taie (Soziologie, BAföG-für-Alle Kamp.); Chirin Saghir (UHH hilft, MA. Soziologie);
Infos zum Fakultätsrat und zu den Wahlen
Der Fakultätsrat ist das höchste, demokratisch gewählte Selbstverwaltungsgremium der Fakultät für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften. Durch ihn treffen die Mitglieder der Fakultät (Lehrende, Studierende, Verwaltungspersonal) wichtige Richtungsentscheidungen über die Struktur und Entwicklung von Studium, Lehre und Forschung. Insgesamt werden 19 Fakultätsratsmitglieder (mit jeweils einer Stellvertretung) gewählt: 10 Professor:innen, 3 Wissenschaftliche Mitarbeiter:innen, 3 Mitglieder des Technischen und Verwaltungspersonals und 3 Studierende. Die Fakultätsratssitzungen finden hochschulöffentlich statt, d.h. alle Mitglieder der Fakultät sind eingeladen, an den Sitzungen teilzunehmen und mitzugestalten.
Die Wahlen für den Fakultätsrat laufen noch bis Montag, den 08.07.2024, 14.00 Uhr. Ihr könnt per Brief wählen oder (bei Verlust der Wahlunterlagen) persönlich im Wahlamt im Mittelweg 177.